Frühe Kindheit im Parlament: Vorschau auf die Herbstsession 2020

Die parlamentarische Initiative 19.466 von Nationalrat Cédric Wermuth (SP) «Offensive für familienergänzende Kinderbetreuung» verlangt eine Änderung von Art. 116 der Bundesverfassung (Familienzulagen und Mutterschaftsversicherung). In Art. 116 Abs. 5 BV soll ergänzend festgehalten werden, dass der Bund und die Kantone die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit fördern und gemeinsam für ein, dem Bedarf entsprechendes Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung sorgen. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-NR) hat der Vorlage mit 12 zu 10 Stimmen bei drei Enthaltungen keine Folge gegeben. Nun wird der Nationalrat über die Vorlage beraten. Auch die parlamentarische Initiative 19.461 von Nationalrätin Nadine Masshardt (SP) setzt sich zum Ziel, die Vereinbarung von Familie und Beruf zu verbessern. Gefordert wird ein Rechtsanspruch auf Reduktion des Beschäftigungsgrads für Mütter und Väter nach Geburt und Adoption. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats gab der Initiative mit 15 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung keine Folge. Schliesslich wird der Nationalrat die bundesrätlichen Legislaturziele 2019-2023 beraten (19.078). Die vorberatende Spezialkommission des Nationalrats hat zwei Ergänzungen beantragt, die die frühe Kindheit betreffen: Zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials und mit dem Ziel, die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu fördern, soll eine nationale Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2020 – 2023 (I) und eine Botschaft zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter Einbezug der Kantone (II) verabschiedet werden.

Der Ständerat befasst sich mit der parlamentarischen Initiative 17.412 von Nationalrat Matthias Aebischer «Chancengerechtigkeit vor dem Kindergartenalter». Die Initiative verlangt, die Zielgruppe von Kindern im Alter von 0 bis 4 Jahren in das bestehende Bundesgesetz über die Förderung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendförderungsgesetz, KJFG) aufzunehmen. Anfänglich war die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats der Initiative wohlgesinnt, jedoch gab es auch kritische Stimmen. Insbesondere bestand Unklarheit, welche Angebote im Vorschulbereich über das Kinder- und Jugendförderungsgesetz gefördert werden könnten. Ebenfalls blieb unklar, ob die derzeit auf rund CHF 10 Millionen beschränkten Fördermittel erhöht oder letztlich nur die Anzahl anspruchsberechtigter Akteur*innen – nicht jedoch das zur Verfügung stehende Geld – zunehmen würde (vgl. Stellungnahme Netzwerk Kinderbetreuung). Vor diesem Hintergrund lehnte die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates im Februar 2019 die Initiative knapp ab. Bereits im April 2019 revidierte die WBK-NR diesen Entscheid und sprach sich für eine Umsetzung aus. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates hat die Realisierung einer Minimalvariante vorgeschlagen, welcher der Nationalrat in der letzten Session bereits zugestimmt hat. Der Bund unterstützt die Kantone mittels befristeteter Anschubfinanzierungen im Bereich der frühkindlichen Förderung, Innerhalb von 10 Jahren können pro Jahr maximal vier Kantone Finanzhilfen in der Höhe von CHF 100'000 während drei Jahren beziehen.

Weiter wird sich der Ständerat mit dem Postulat 20.3223 von Céline Vara (G) befassen, das die Möglichkeit eines Gesetzesentwurfs prüfen will, um ein Impulsprogramm zur Förderung von Tagesschulen in den Kantonen und Gemeinden einzuführen. Der Bundesrat empfiehlt die Ablehnung des Postulats.

Im Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Pandemie beraten Ständerat und Nationalrat schliesslich die gleichlautenden Motionen (20.3912 und 20.3917), die den Bundesrat auffordert, die Covid-19 Verordnung zur familienergänzenden Kinderbetreuung vom 20. März 2020 in der Umsetzung zu überdenken. Ziel ist eine Gleichbehandlung der Institutionen, insbesondere dahingehend, dass auch Angebote von finanzieller Unterstützung profitieren können, die von Kanton oder Gemeinden bereits Subventionen erhalten.

Neben dem Hauptprogramm wird in den Räten am Ende der Session eine Reihe von Vorstössen im beschleunigten Verfahren behandelt. Über die wichtigsten Geschäfte werden wir in der Sessionsrückschau berichten.

Die Sessionsprogramme und Tagesordnungen der eidgenössischen Räte können noch Änderungen erfahren.

Übersicht der Geschäfte in der Herbstsession 2020, welche die Politik der frühen Kindheit betreffen: